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Körperliche Inaktivität als Risikofaktor für Demenz überschätzt?

aus: Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V., Dr. Bettina Albers, 05.06.2019

Im British Medical Journal wurde eine Metaanalyse publiziert [1], in der über 400.000 Teilnehmer im Hinblick darauf ausgewertet wurden, ob körperliche Inaktivität einen Risikofaktor für die spätere Entwicklung einer Demenz darstellt. Demzufolge scheint Sport einen geringeren direkten präventiven Einfluss zu haben als bislang angenommen. Dennoch raten die Experten weiterhin zur körperlicher Aktivität. Denn Sport schützt vor kardiovaskulären und metabolischen Erkrankungen, die wiederum Demenzen begünstigen können.


Verschiedene Studien zeigten, dass körperliche Aktivität und sportliche Betätigung zu besserer kognitiver Leistungsfähigkeit führen – ob jedoch umgekehrt die körperliche Inaktivität die spätere Entwicklung einer Demenzerkrankung begünstigt (und in welchem Umfang), ist dagegen als nicht abschließend geklärt [2]. Demenzerkrankungen geht oft eine bis zu zehnjährige präklinische Phase voran, in der uncharakteristische Vorzeichen (Prodromi) auftreten. Zu denen gehört auch eine abnehmende körperliche Aktivität. Insofern könnte die körperliche Inaktivität auch ein frühes Vorzeichen der Demenzerkrankung sein und kein ursächlicher Risikofaktor wie bislang angenommen, zumal die meisten Studien eine Nachbeobachtungszeit von weniger als zehn Jahren hatten.

Um dieses „Henne-Ei-Problem“ zu lösen, also um zu untersuchen, ob körperliche Inaktivität zu Demenz beiträgt oder sie ein frühes Symptom einer Demenzerkrankung ist, wurde eine große Metaanalyse initiiert, die nur Studien mit sehr langen Nachbeobachtungszeiten einschloss. Die Studienergebnisse liegen nun vor [1]. Insgesamt waren 9.741 Studien gesichtet und auf ihre Eignung überprüft worden. Aus 19 prospektiven Beobachtungsstudien wurden dann die Daten von 404.840 einzelnen Studienteilnehmern aus elektronischen Patientenakten extrahiert und als gemeinsame Studienpopulation in der vorliegenden Metanalyse ausgewertet. Primärer Endpunkt war die Inzidenz der Alzheimer-Demenz sowie von Demenzen jedweder Ursache. Gesondert betrachtet wurde die Bedeutung begleitender Stoffwechsel- und Gefäßerkrankungen wie Diabetes mellitus, Schlaganfälle und Herzkranzgefäßerkrankungen (koronare Herzkrankheit, KHK), die als sekundäre Endpunkte erfasst wurden. Die Teilnehmer waren initial demenzfrei, das mittlere Alter lag bei 45,5 Jahren, 57,7% waren weiblich. Bei allen war zu Studienbeginn die physische Aktivität bewertet worden. Als physisch inaktiv wurden Angaben definiert wie „weniger als 30 Minuten wöchentliches Laufen/Joggen/zügiges Gehen“, „sehr wenige/nur gelegentliche Spaziergänge“ oder „sportliche Betätigung nur ein paarmal im Jahr“.

Die Gesamtinzidenz aller Demenzformen betrug 2.044/6 Millionen Personenjahre; eine Alzheimer-Demenz betraf 1.602/5,2 Millionen Personenjahre. Bei Messungen, die weniger als zehn Jahre vor einer Demenzdiagnose erfolgten, war physische Inaktivität mit einer um 40% höheren späteren Demenzinzidenz assoziiert (HR 1,4); ähnlich verhielt es sich speziell mit der Alzheimerdemenz (HR 1,36). Zur Klärung einer möglichen reversen Kausalitätsbeziehung wurden für die Analyse nur Aktivitäts-Messungen, die mehr als zehn Jahre vor einer Demenzdiagnose erfolgt waren, berücksichtigt. Dabei zeigte sich dann jedoch kein statistischer Zusammenhang zwischen physischer Inaktivität und Demenzrisiko.

„Hinsichtlich des Demenzrisikos scheinen bisherige Beobachtungsstudien den Faktor physische Inaktivität wegen zu kurzer Studiendauern überschätzt zu haben, denn in der vorliegenden Meta-Analyse zeigte sich kein direkter Zusammenhang zwischen körperlicher Inaktivität und späterer Demenzerkrankung “, so Prof. Dr. med. Thomas Duning, Oberarzt an der Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Münster. „Dennoch empfehlen wir älteren Menschen, sportlich aktiv zu sein, da Sport kardiovaskulären und metabolischen Erkrankungen vorbeugt, die wiederum Demenzen begünstigen können.“ Auch in der vorliegenden Studie war die physische Inaktivität mit einem erhöhten Risiko für Diabetes (HR 1,42), KHK (HR 1,24) und Schlaganfälle (HR 1,16) assoziiert. Bei Teilnehmern, bei denen kardiometabolische Erkrankungen einer Demenz vorausgingen, stellte körperliche Inaktivität (gemessen vor >10 Jahren) auch ein gewisses Demenzrisiko dar (HR 1,3), welches allerdings die statistische Signifikanz verfehlte.

Literatur
[1] Kivimäki M, Singh-Manoux A, Pentti J et al.; IPD-Work consortium. Physical inactivity, cardiometabolic disease, and risk of dementia: an individual-participant meta-analysis. BMJ 2019 Apr 17; 365:l1495. doi: 10.1136/bmj.l1495
[2] Brasure M, Desai P, Davila H et al. Physical Activity Interventions in Preventing Cognitive Decline and Alzheimer-Type Dementia: A Systematic Review. Ann Intern Med 2018; 168(1): 30-38

Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
c/o albersconcept, Jakobstraße 38, 99423 Weimar
Tel.: +49 (0)36 43 77 64 23
Pressesprecher: Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen
E-Mail: presse@dgn.org

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)
sieht sich als neurologische Fachgesellschaft in der gesellschaftlichen Verantwortung, mit ihren über 9500 Mitgliedern die neurologische Krankenversorgung in Deutschland zu sichern. Dafür fördert die DGN Wissenschaft und Forschung sowie Lehre, Fort- und Weiterbildung in der Neurologie. Sie beteiligt sich an der gesundheitspolitischen Diskussion. Die DGN wurde im Jahr 1907 in Dresden gegründet. Sitz der Geschäftsstelle ist Berlin. www.dgn.org

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Weitere Informationen finden Sie unter http://www.dgn.org

Quelle: http://idw-online.de/de/news717004


Text zuletzt bearbeitet / freigegeben am 05.06.2019 von:
Roland Bruzek

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